Massoulié
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ZUM MOTU PROPRIO "TRADITIONIS CUSTODES"

von Pietro De Marco

Eine Aufsatzsammlung aus der Mitte der 1960er Jahre (Groot, van Hess, Poeisz und andere, "Untersuchung über die holländischen Katholiken") enthielt bereits alles über das katholische Drama. "Eines der ersten Dinge", schrieb A. van der Weyer, "ist der Ausschluss von allem, was nicht wesentlich ist, um die grundlegende Struktur des liturgischen Ereignisses freizulegen". Die neuen Gebete wurden unter diesen Prämissen konzipiert: "Es ist nicht mehr der transzendente Gott, sondern der Vater, der uns in Christus nahe ist; nicht mehr der Gott, der in seiner Herrlichkeit erscheint, sondern der verborgene Gott des Evangeliums; nicht mehr die objektive sakrale Beziehung zu Gott, sondern die menschliche Liebe, in der wir mit dem Menschen Jesus Christus verbunden sind". Keine Objektivität des Mysteriums, kein Sakrament, in all dem offensichtlich nur irrationales "Ereignis". Darüber hinaus muss sich die Kirche "bewusst machen, dass sie eins ist mit der Menschheit als Ganzes und [dieses Einssein] in den Sakramenten, in Gott und im Glauben verwirklicht".

Ich denke, ich muss das so interpretieren, dass es die Menschheit als solche ist, die in den Sakramenten "verwirklicht" wird, gemäß dem in den 1960er Jahren verbreiteten mystischen Evolutionismus, zu dem der Erfolg von Teilhard de Chardin beitrug. Fast sechzig Jahre später scheint dies die grundlegende Theologie (humanistisch ohne Transzendenz und ohne übernatürliches Leben) zu sein, viel mehr als die liturgische, bei der Mehrheit des katholischen Klerus und der Theologen, auch aufgrund der hinterhältigen Vieldeutigkeit dieser Formeln. Eine Äquivozität, die so geeignet ist, jeden Subjektivismus in Glauben und Praxis zu rechtfertigen, dass sie durch theologische Popularisierung kunstvoll kultiviert wurde, um sich heute in Klerus und Laienschaft unbewusst zu verbreiten.

Ein Moment des Widerstandes seitens der lebendigen liturgischen Tradition (im Wissen um den fortschreitenden Verfall) war das Pontifikat von Benedikt XVI. Ein für viele zaghafter und für andere bedauerlicher Akt nicht der Großmut, sondern des gerechten Regierens und der klugen theologischen Balance war das Motu proprio "Summorum pontificum" von 2007. Papst Joseph Ratzinger vertraute dem Schutz des heiligen Geistes eine Dialektik zwischen "vetus" und "novus ordo" in der Kirche an, so dass die Präsenz des jahrhundertealten Kanons als Erfahrung und als korrigierende Theologie des Universums der kleinen und großen Missbräuche und der dominierenden, beschämenden Oberflächlichkeit dienen würde, die nicht durch das Konzil, sondern durch die Liturgiereform der späten 1960er Jahre hervorgebracht worden war (ein echter Verrat der liturgischen Bewegung, über den ich 2017 ausführlich geschrieben habe).

Gegen dieses heilige Gleichgewicht richtet sich der angedrohte und gefürchtete Eingriff zur Aufhebung von 'Summorum pontificum', der nun am 16. Juli veröffentlicht wird. Man wird es noch einmal genau prüfen müssen, aber auf den ersten Blick sieht es so aus: Wie im gegenwärtigen Pontifikat üblich, wird einem milde und bisweilen herzlich wirkenden Begleitschreiben ein normativer Akt mit dem Titel "Traditionis custodes" gegenübergestellt, dessen parteiische und destruktive Motivation (die dem Papst vielleicht entgeht) niemanden täuschen kann. Natürlich gibt es Raum für eine juristische Verteidigung der Rechte der Gläubigen und dieser muss genutzt werden.

Die beiden Dokumente erweitern nicht nur die legitime Macht (und Last) der Bischöfe, die Modalitäten und Inhalte der Zelebrationen nach dem Missale von 1962 zu kontrollieren, sondern sprechen in symptomatischer und abwegiger Weise von "Gruppen", die überwacht und an der Vermehrung gehindert werden sollen. Warum ist der Begriff "Gruppe" abweichend? Denn er suggeriert, dass die Treue zum "vetus ordo" ein Faktum organisierter Minderheiten ist, die zum Schisma neigen: eine realitätsferne und ohne jedes Unterscheidungsvermögen aufgestellte Hypothese. Sie suggeriert auf unlautere Weise scheinbar eine Straftat, die mit Menschen und Praktiken einhergeht: Die "Gruppen" pflegen die Feindschaft zum Konzil und geben sich als "die wahre Kirche" aus. Wenn dies nicht der Fall ist, werden Menschen und Gruppen als "minus habentes" bezeichnet, die die Neuerung des Konzils nur zögerlich oder mit Mühe akzeptieren. Zwei Beobachtungen angesichts dieser Zurschaustellung von diagnostischem Stumpfsinn, die beunruhigender ist als Illoyalität.

Die erste. Die Rhetorik und die liturgische Praxis, die den Anspruch erhebt, "konziliär" zu sein, sind weitgehend verantwortlich für den weit verbreiteten, wachsenden und begründeten Widerstand und dessen fortschreitende Verhärtung. Die theologische Brüchigkeit, wie wir wissen, und die "Teilnahme", der alles geopfert wurde als Hauptziel der Liturgiereform, die sehr weit von "Sacrosanctum Concilium" entfernt ist, werden starrsinnig auf den Willen der Konzilsväter zurückgeführt. Dies geschieht analog seit Jahrzehnten und heute noch blinder (wer liest schon die Konzilstexte?) ebenso hinsichtlich der unterschiedlichen und chaotischen theologischen, pastoralen und missionarischen Dynamiken, die alle immer den Anspruch erheben, das Konzil zu verwirklichen. Wie sollte das Konzil demnach den wachsamsten Gläubigen nicht als die Quelle alles Übels erscheinen? In diesem Zusammenhang zeigen die Theologen, die zur intelligencija geworden sind, auch eine gewisse Unehrlichkeit, die für jede intelligencija typisch ist: Es ist bekannt, dass das Konzil (seine Texte, seine "intentio") fast nichts von der gegenwärtigen Praxis rechtfertigt, es sei denn als "Ereignis" oder als eine angebliche "Zäsur", die beliebig interpretiert werden kann. Es ist bekannt, aber es wird verschwiegen.

Die zweite. Sich für eine "wahre Kirche" oder eine Katakomben- oder Klosterkirche zu halten, ist sicher ein Irrtum, zumindest eine Naivität, die im weit verbreiteten kirchlichen Widerstand kursiert; sie überrascht mich bei manchen Freunden, deren Aufrichtigkeit und Leid ich auf jeden Fall würdige. Aber was für ein Schauspiel verfehlter, ungewisser oder verratener Verkündigung des christlichen Geheimnisses (d.h. des Christus, der wahrhaftig Sohn Gottes ist), liefern auf der ganzen Welt viele Pfarreien, nicht wenige Hierarchien, kurz gesagt, ein großer Teil der Kirche "in capite et in membris" ab? In welche demütigende Katastrophe wandern nicht die Reste der Kirchen jener Nationen, die Protagonisten des Konzils waren? Welche Flut an Geschwätz eines Hans in allen Gassen verschlingt die Substanz des Glaubens?

Mit welcher Autorität wird also ein "quidam" - wie im motu proprio vorgeschrieben - auftreten, um die Praktiken und Überzeugungen einer Gemeinschaft zu kontrollieren, die ich Gemeinschaft "Summorum pontificum" nennen würde? Latein wird ihm nicht genügen, um was denn damit anzufangen? Um die Orthodoxie von "Nobis quoque peccatoribus" zu überprüfen? Wäre es nicht besser, wenn der Pfarrer oder der Rektor dieser Kirche, bevor er den Kommissar hereinlässt, diesen (vermutlich mit zu viel Macht und zu wenig Kenntnis der Sachlage ausgestatteten) fragen würde, ob er an etwas glaubt? Zum Beispiel an die Gottheit Jesu, an die übernatürliche Wirksamkeit der Sakramente, an die Gnade, an das heilbringende Opfer, an das Geheimnis der Dreifaltigkeit? Was wird der Kontrolleur des Glaubens anderer antworten, da er es schon lange nicht gewohnt ist, über dieses Zentrum des Glaubens nachzudenken, er, der sich auf das Leben und die Liebe konzentriert hat? Aber natürlich stellt man Kommissaren keine Fragen.

Der Punkt ist wichtig: Der gewöhnliche Laie, der dem Papst oder seinem sympathischen Pfarrer oder dem neuesten Autor über theologische Fragen Beifall klatscht, weiß nicht, wie viele Verzerrungen und Trümmer der katholischen Wahrheit die Köpfe von Priestern und Laien überhäufen und Dokumente und Artikel durchziehen. Es fügt daher dem Schaden (der aus dem Unverständnis Roms für die gesamte katholische Realität resultiert) noch den Spott hinzu, dass das Motu proprio den Titel "Traditionis custodes" trägt. Seit wann will Papst Jorge Mario Bergoglio "traditionis custos" sein? Kein Zweifel, wir erwarten das von unseren Bischöfen, den Bischöfen der ganzen Welt. Aber wenn sie es sind (und ich füge mit Bedauern hinzu: wären sie es doch in den letzten Jahrzehnten durchgängig gewesen), werden sie nicht umhin können, zu bemerken, wo "traditio" ist und wo sie ignoriert oder ausdrücklich verhöhnt wird: Ist nicht alles neu und anders in der Kirche nach dem Konzil? Ist nicht alles im Glauben und in der Kirche der Zukunft anvertraut, damit die Vergangenheit und die Gegenwart sie nicht belasten? Ist die Liturgie nicht eine freudige und kreative Aufführung? Kurzum: Wer, wenn nicht diese Klasse, diese "société de pensée" von urteilsunfähigen und allzu einflussreichen Menschen ist in erster Linie dafür verantwortlich, "dass die Abstände zunehmen, die Unterschiede sich verhärten, die Gegensätze entstehen, die die Kirche verwunden und ihren Fortgang behindern?". Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich (in einem Abgrund katholischer Selbstzerstörung) den Kalauer gelesen habe, wonach die Fastenzeit nicht eine Zeit der "Abtötung", sondern der "Belebung" sei.

Der Autor gehört keiner kirchlichen Gruppierung an. Wenn überhaupt, dann gehörte ich zu progressiven Gruppen. Ich bin seit langem ein einfacher katholischer Gläubiger, ein "civis" der "civitas Dei", theologisch gerüstet, wie ich annehme, aber (was zählt) von meinen frühesten Jahren an dazu geneigt, fest an das zu glauben, was meine Lippen sagten: "lex orandi lex credendi". Nicht aus einem Recht heraus, aus einer 'verfassungsrechtlichen' Perspektive auf die Kirche, die mich nicht begeistert, sondern aus Pflicht, aus einem Impuls als Gläubiger heraus bewerte ich, was in der Kirche geschieht, die wirklich meine Mutter ist. Deshalb habe ich denjenigen zugestimmt, die es gewagt haben, Seine Heiligkeit vor der Gefahr ernsthafter Fehler in seinen Positionen und Aussagen zu warnen. Aus diesem Grund werde ich den Priestern und christgläubigen Laien, die in der Messe des "vetus ordo" (nach der "editio typica" von 1962) die Fülle des Glaubensbekenntnisses und den Gipfel des sakramentalen Lebens im eucharistischen Christus erfassen und leben, näher sein als je zuvor. Unter der tausendjährigen Führung der Heiligen, nicht der Pädagogen und Animateure. Auch nicht von Liturgisten. Ich fürchte, der Heilige Vater wird bedauern müssen, dass er, noch krank, dem Druck von Anti-Ratzinger-Gruppen nachgegeben hat, Extremisten mit zweifelhafter Doktrin und ohne Einsicht in den Schaden, den sie seit Jahrzehnten stets anrichten.

repubblica.it/…ditionis-custodes”-il-commento-di-pietro-de-marco/
Maria Pocs teilt das
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